Neue Dauerausstellung
und der Erinnerungsort „Bahnhof Märzfeld“
Video von der Interimsausstellung (Quelle: Museen der Stadt Nürnberg)
Daueraustellung wird überarbeitet
Die Dauerausstellung im Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände, das seit 2001 besteht, wird derzeit überarbeitet und ist für Besuchende geschlossen. Während der Umbauarbeiten wurde die Interimsausstellung „Nürnberg – Ort der Reichsparteitage“ eröffnet, die neue didaktische Ansätze erprobt und eine breitere Perspektive auf die Geschichte des Geländes bietet.
Interimsausstellung: Neue Perspektiven und Didaktik
Die Interimsausstellung verzichtet bewusst auf offizielle Propagandafotos und präsentiert stattdessen private Aufnahmen von Amateurfotografen sowie persönliche Geschichten ehemaliger Besucher der Reichsparteitage und jüdischer Bewohner Nürnbergs während der NS-Zeit. Diese Herangehensweise ermöglicht es den Besuchern, die Geschichte aus individuellen Blickwinkeln zu erleben und regt zu kritischem Nachdenken an (vgl. Lendler, Hasselbach, Wunderling 2021).
Ein zentrales Element der Interimsausstellung ist die Präsentation von Geschichten und Erinnerungen, die bisher wenig Beachtung gefunden haben. Beispielsweise wird die Geschichte einer jüdischen Familie gezeigt, deren Vase während der Reichspogromnacht zerbrochen wurde, wodurch ein persönlicher und emotionaler Zugang zur Geschichte geschaffen wird (vgl. Museen der Stadt Nürnberg 2021). Zudem wurden innovative didaktische Methoden erprobt, wie das „Nürnberg-Erlebnis“, bei dem Besucher durch ein interaktives Kartenspiel die Perspektiven verschiedener historischer Teilnehmer einnehmen können (vgl. Lendler, Hasselbach, Wunderling 2021).
Einflüsse der Interimsausstellung auf die Dauerausstellung
Die Erfahrungen und Konzepte, die in der Interimsausstellung entwickelt wurden, fließen maßgeblich in die Neukonzeption der Dauerausstellung ein. Der wissenschaftliche Beirat und das Team des Dokumentationszentrums haben wertvolle Erkenntnisse darüber gewonnen, welche Ansätze besonders wirkungsvoll sind und wie die Vermittlungsgestaltung weiter verbessert werden kann. Diese Erkenntnisse werden genutzt, um die neue Dauerausstellung noch interaktiver, inklusiver und ansprechender für ein breites Publikum zu gestalten.
Neukonzeption der Dauerausstellung: Innovation und Inklusion
Die neue Dauerausstellung wird umfassend modernisiert und auf etwa 5000 Quadratmeter statt bisher 3000 Quadratmeter Ausstellungsfläche erweitert. Zusätzlich entstehen neue Veranstaltungsräume, ein Medien- und Recherchezentrum sowie barrierefreie Zugänge (vgl. Henzler 2019). Ein besonderes Highlight wird die inklusive Gastronomie sein, die die Vielfalt der Besucher widerspiegelt und integrative Angebote für Menschen mit Behinderungen bereitstellt (vgl. Betz 2023).
Der neue Leiter des Dokumentationszentrums, Imanuel Baumann, betont die Notwendigkeit, die Ausstellung an die Bedürfnisse jüngerer Generationen anzupassen: Er möchte die Inhalte der Ausstellung so vermitteln, „dass sie mit der Gegenwart der einzelnen Menschen in Beziehung gesetzt werden können“ (Museen der Stadt Nürnberg 2023). Dies beinhaltet die Nutzung moderner Technologien, partizipativer Elemente und kurzer, prägnanter Texte, die den heutigen Rezeptionsgewohnheiten entsprechen. „Denken Sie an Social Media. Kurze Texte, kurze Botschaften, trotzdem mit Substanz. Partizipativer. Dass ich mich verhalten, bewerten kann. All das versuchen wir, digital oder analog mit einzubeziehen. Das ist ein Weg, um auch für junge Menschen attraktiv zu bleiben“, so Baumann in einem Interview mit dem BR (Nikola, Goeckel, Bühling 2023).
Die neue Dauerausstellung wird wohl auch vermehrt mit Devotionalien arbeiten, beispielsweise mit der Darstellung einer riesigen NS-Flagge, die während der Reichsparteitage auf den Türmen des Zeppelinfeldes angebracht war (vgl. Museen der Stadt Nürnberg 2024).
Dazu werden umfassende Veränderungen an der Architektur umgesetzt. Der Eingang wird zukünftig nicht mehr über die Treppen der Architektur Günther Domenigs erfolgen, sondern ebenerdig in eine neue Empfangshalle mit einer inklusiven Cafeteria führen. Dort erhalten Besucher erste Informationen zum Gelände. Die Ausstellung kann dann über einen neuen Treppengang, der neue Blickwinkel ermöglicht, erkundet werden.
Die Eröffnung der neuen Dauerausstellung ist für Ende 2025 geplant. Die bereits getätigten Investitionen und Planungen sollen das Fundament für ein modernes, inklusives und interaktives Museumserlebnis schaffen, das sowohl die Geschichte vermittelt als auch zum kritischen Nachdenken anregt.
Videos zur Arbeit an der neuen Dauerausstellung
3 Fragen an… Dr. Imanuel Baumann (Quelle: Museen der Stadt Nürnberg)
3 Fragen an… Dr. Alexander Schmidt (Quelle: Museen der Stadt Nürnberg)
Video: Tag der offenen Baustelle im Dokumentationszentrum
(Quelle: Museen der Stadt Nürnberg)
Bahnhof Märzfeld
Erinnerungsort wird bald Realität
Der Bahnhof Märzfeld ist ein historisch belasteter Ort, der tief in die Geschichte des NS-Regimes eingebettet ist. Ursprünglich als Teil des Reichsparteitagsgeländes angelegt, diente er in den 1940er Jahren als Abfahrtsort in den Tod für über 2.000 jüdische Einwohner Nürnbergs. Es ist erschreckend, wie wenig heute an die Opfer erinnert, die von diesem Bahnhof aus deportiert wurden. Trotz seiner Bedeutung ist der Bahnhof Märzfeld seit Jahrzehnten ein vernachlässigter Ort. Er ist umzäunt und nicht zugänglich, und die Unterführung, die verschiedene Teile des Stadtteils Langwasser verbindet, ist düster und schmutzig. Einzig zwei Informationstafeln erinnern an die tragische Geschichte dieses Ortes, der nach dem Krieg auch als Ankunftspunkt für Hunderttausende Geflüchtete diente.
Es hat lange gedauert, bis sich die Stadt Nürnberg und die Deutsche Bahn auf eine würdige Gedenkstätte einigen konnten. Doch in den letzten Jahren kam Bewegung in die Diskussion um diesen historischen Ort. Das hat unter anderem den Grund, dass in den letzten Jahren immer mehr Gruppen von Geflüchteten nach 1945 und deren Hinterbliebenen nach Nürnberg gekommen sind, um den Bahnhof Märzfeld zu besichtigen, wie der Leiter der Stabsstelle ehemaliges Reichsparteitagsgelände Prof. Dr. Hans-Joachim Wagner in einem Video berichtete (vgl. Youtube-Video)
Die Stadt Nürnberg reagierte damit auf die „offene Wunde“ ist, wie es Oberbürgermeister Marcus König ausdrückte, und dass dringend Maßnahmen ergriffen werden müssen, um an die Opfer zu erinnern und die Geschichte des Ortes angemessen zu beleuchten.
Ziel ist es, die Sandsteinfassade des Bahnhofs mit den Namen einiger der deportierten jüdischen Familien zu versehen und den Zaun, der den Bahnhof umgibt, bis 2025 zu entfernen. Auch an die Zwangsarbeiter, die hier ankamen, soll erinnert werden. Darüber hinaus ist geplant, Fotomaterial zu installieren, das die historische Bedeutung des Bahnhofs verdeutlicht. Dieser Gedenkort wird nicht nur als Ergänzung zum Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände betrachtet, sondern auch als ein Ort, der insbesondere für die jüngeren Generationen zugänglich sein soll. In der Nähe des Bahnhofs sollen neue Schulen entstehen, und es ist vorgesehen, den Ort in das Bildungskonzept für Schülerinnen und Schüler zu integrieren, um aus der Geschichte zu lernen.
Jo-Achim Hamburger, Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde, betont, wie wichtig es ist, dass Kinder und Jugendliche diesen Ort erleben und sich mit der Vergangenheit auseinandersetzen. Er hebt hervor, wie perfide das Vorgehen der Nationalsozialisten war: Die Juden mussten für ihre eigene Fahrt in den Tod bezahlen, ihnen wurden 50 Reichsmark abgenommen, und ihre Koffer, die sie unbeschriftet lassen mussten, wurden ihnen nach der Ankunft in den Konzentrationslagern weggenommen. Diese grausame Realität muss bewahrt und erinnert werden, und der Bahnhof Märzfeld bietet die Möglichkeit, dies in einer würdigen Form zu tun.
- Betz, Astrid 2023: Geschichte zum anfassen. Online verfügbar unter: https://museenblog-nuernberg.de/2023/09/28/geschichte-zum-anfassen/ zuletzt geprüft am 24.08.2024
- Henzler, Claudia 2019: 100 Millionen für das frühere Reichsparteitagsgelände. Online verfügbar unter: https://www.sueddeutsche.de/bayern/nuernberg-100-millionen-euro-fuer-das-fruehere-reichsparteitagsgelaende-1.4049626 zuletzt geprüft am 24.08.2024
- Lendler, Rainer; Hasselbach, Jenny; Wunderling, Jens 2021: Geschichte im Raum. Online verfügbar unter: https://museenblog-nuernberg.de/2021/05/27/geschichte-im-raum/ zuletzt geprüft am 24.08.2024
- Museen der Stadt Nürnberg 2021: Nürnberg: Ort der Reichsparteitage – Inszenierung, Erlebnis und Gewalt. Online verfügbar unter: https://youtu.be/n2t2WApPx9w?si=iiKzU6Ki-4HF31zL&t=134 zuletzt geprüft am 24.08.2024
- Museen der Stadt Nürnberg 2023: Drei Fragen an… Imanuel Baumann. Online verfügbar unter: https://youtu.be/v1OD8hvB1iQ?si=7G5YQ8hxWrqo0GPI&t=82 zuletzt geprüft am 24.08.2024
- Museen der Stadt Nürnberg 2024: Drei Fragen an… Alexander Schmidt. Online verfügbar unter: https://youtu.be/QNFlYXZ0RhU?si=xJjFpN5AWoB1l7G-&t=235 zuletzt geprüft am 24.08.2024
- Nikola, Ulrike; Goeckel, Karin; Bühling, Anja 2023: Antisemitismus: „Neue Dimension der Schamlosigkeit“. Online verfügbar unter: https://www.br.de/nachrichten/bayern/antisemitismus-neue-dimension-der-schamlosigkeit,TxC6Fx2 zuletzt geprüft am 24.08.2024
- Peter, Daniel 2024: „Tor zum Tod“ – Bahnhof Märzfeld als Erinnerungsort aufwerten. Online verfügbar unter: https://www.br.de/nachrichten/bayern/tor-zum-tod-bahnhof-maerzfeld-als-erinnerungsort-aufwerten,U9jaRHF zuletzt geprüft am 24.08.2024