Granit für die Ewigkeit

Die Kongresshalle

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360-Grad-Bild von der Innenseite der unfertigen Kongresshalle

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Gigantismus

Das antike Vorbild des Bauwerks, das Kolosseum in Rom, sollte von der Kongresshalle bei weitem übertroffen werden. 80 Meter hoch sollte sie sein (vgl. Dietzfelbinger/Liedtke 2004: 52), abgerundet von einem freischwebenden Dach ohne Stützen im Innenraum. Die Kongresshalle sollte der neue Ort des Parteikongresses werden, da die Luitpoldhalle für die Nationalsozialisten zu wenig imposant war. Dieser „erste Riese“ ist heute das größte erhaltene Relikt der Herrschaftsarchitektur des Dritten Reiches. Im Gegensatz zu den anderen Bauten auf dem Reichsparteitagsgelände wurde nicht Albert Speer, sondern dem Nürnberger Architekten Ludwig Ruff und seinem Sohn Franz der Auftrag gegeben (vgl. ebd.: 54), die Pläne für die Kongresshalle zu erstellen. Die Halle sollte einen U-förmigen Hauptbau besitzen mit zwei Flügelbauten und einem Mitteltrakt mit vorgelagerter Säulenhalle besitzen. Dazu sollte ein fast sakraler Säulengang mit einer Länge von 435 Metern als Eingangsbereich für die Teilnehmer entstehen. Im Gegensatz zur Zeppelintribüne wurde statt Muschelkalk härterer Granit verwendet.

Die Kongresshalle sollte direkt am angrenzenden Dutzendteich gebaut werden, damit sich der riesige Bau im Wasser noch einmal spiegelte und so noch imposanter wirken würde (vgl. Schmidt ua. 2004: 49). Dafür wurden im Vorfeld 850 Bäume beseitigt. Der alte Tiergarten am Dutzendteich musste ebenso weichen wie ein Leuchtturm, der im Zuge einer Bayerischen Landesausstellung 1906 dort errichtet wurde (vgl. Dietzfelbinger/Liedtke 2004: 52).

Auf der Baustelle der Kongresshalle waren bis zu 1400 Menschen gleichzeitig beschäftigt (vgl. ebd.). Es wurde in Doppelschichten gearbeitet. Eine Schicht ging zehn Stunden- Überstunden und Arbeiten am Sonntag waren „selbstverständlich“ (ebd.). Die Kosten für die Kongresshalle stiegen schnell in die Höhe: „Zwischen 80 und über 200 Millionen Reichsmark wurden bei der Kongresshalle in nur wenigen Jahren verbaut.“ (ebd.: 55) Nach den ersten Siegen im Zweiten Weltkrieg wurden die Bauarbeiten durch Kriegsgefangene fortgesetzt, bis sie 1943 schließlich ganz eingestellt wurden (vgl. ebd.).

„An diesem heutigen Tage setzen wir dieser neuen Welt der Deutschen Volkes den Grundstein ihres ersten großen Denkmals. Eine Halle soll sich erheben, die bestimmt ist, die Auslese des nationalsozialistischen Reiches für Jahrhunderte alljährlich in ihren Mauern zu versammeln. Wenn aber die Bewegung jemals schweigen sollte, dann wird noch nach Jahrtausenden dieser Zeuge hier reden. Inmitten eines heiligen Haines uralter Eichen werden dann die Menschen diesen ersten Riesen unter den Bauten des Dritten Reiches in ehrfürchtigem Staunen bewundern.“  (NSDAP 1935: 46)

Adolf Hitler bei der Grundsteinlegung der Kongresshalle 1935

Der Platz hinter der Kongresshalle wird nur selten benutzt, meist für das Volksfest.

Banalität im Größenwahn – Die Halle nach 1945

Heute stehen die wenigsten Besucher ehrfürchtig im Innenraum der Kongresshalle. Es ist ein karger, fast leerer, dafür riesiger Ort. Zwei Informationstafeln erklären das Gebäude. Allerlei Gerümpel steht in den Ecken. Ein Rettungswagen steht an der anderen Seite. Die Kongresshalle ist heute ein Denkmal für das Scheitern des NS. Mit ihrer heutigen Höhe von etwa 40 Metern und der Außenfassade aus Granit zeigt sie, wie sich die Nationalsozialisten in Szene setzen wollten, wie sie die Menschen „faszinieren“ wollten. Im Innenraum bleibt davon nicht viel übrig. Sie ist ein Blick hinter die Fassade: Statt Granit wird das Gebäude von gewöhnlichen Backsteinen getragen. Nach 1945 war die Frage groß, was mit diesem Gebäude passieren sollte. 1949 wurde sie als Veranstaltungsort für die „Deutsche Bauausstellung“ benutzt (vgl. Schmidt u.a. 2002: 51). Ausgerechnet an dem Ort, wo der Größenwahn des Regimes in Stein verewigt werden sollte, pries ein Aussteller Granit als „Stein für die Ewigkeit“ (ebd.: 55). Dazu gab es ein Cafe im Obergeschoss der Kongresshalle. In den 1950er Jahren wurde seitens der Stadt überlegt, wie man das Gebäude langfristig nutzen könne. Die Überlegung war, die Kongresshalle in ein Fußballstadion zu verwandeln. Es wurden mehrere positive Beschlüsse im Stadtrat verabschiedet. Die Pläne scheiterten jedoch an finanziellen Mitteln (vgl. ebd.: 52)

So war die Kongresshalle lange Jahre vor allem Lagerfläche für unterschiedliche Unternehmen und Einrichtungen. Neben dem Christkindlsmarkt und dem Katastrophenschutz, wurde ein großer Teil der Kongresshalle von der Firma „Quelle“ als Lagerräume benutzt. Durch die Pleite der Firma zog auch deren Lager aus der Kongresshalle aus.

Es gab jedoch auch Pläne, die Kongresshalle abzureißen. Die älteste dieser Forderungen kam vom „Bund deutscher Architekten“ (BdA). So veröffentlichten sie 1963 in ihrer Denkschrift „Schöneres Nürnberg“: „Die ganze Umgebung leidet an dieser Repräsentation einer größenwahnsinnigen Diktatur. Es kann und darf nicht Aufgabe demokratsicher Einrichtungen sein, auch nur eine DM für ihren weiteren Bestand auszugeben und es bleibt eine Sünde wider den Geist der neuen Stadt, an irgendeine Verwendbarkeit auch nur zu denken. Wir haben die Aufgabe, dieses Zeichen zu löschen und die Opfer zu bringen, die hierfür notwendig werden […].“ (zit. nach: Schmidt u.a. 2002: 245). Doch auch ein Abriss wurde nicht realisiert. Es gab Zweifel um die Umsetzbarkeit dieses Vorhabens und der Frage, wie hoch die Kosten einer Sprengung sein würden.

In den 1980er Jahren gab es Pläne von einem Konsortium an Geschäftsleuten unter dem Namen „Kongreß und Partner“ die Kongresshalle zu einem „Erlebniszentrum“ zu gestalten. So sollte es Geschäftsstraßen mit Nobelgeschäften geben, verschiedene Restaurants, Schwimmbecken, Squashhallen, Tennisplätze, Saunen, Fitness- und Gymnastikräume, Diskotheken, Kinos, Theaterbühnen, ein Hotel, ein Seniorenzentrum, sowie verschiedene Penthäuser (vgl. Dietzfelbinger/Liedtke 2004: 112f.). Der Kämmerer der Stadt war begeistert und sprach von einer „endgültigen Nutzung“ (ebd.) der Kongresshalle, „die im Sinne der Entmythologisierung Leben in das Bauwerk bringt.“ Auch das Denkmalschutzamt hatte keine größeren Bedenken, solange der Rundbau in seiner äußeren Form nicht verändert wird. (vgl. ebd.)

Aus Protest gegen den Bau eines Konsumtempels in der Kongresshalle gründete sich eine Bürgerinitiative, welche das Relikt der Nazizeit als Mahnmal anerkannt wissen lassen wollte. Nach einer großen öffentlichen Diskussion wurden die Pläne verworfen. Die Diskussion ist nach Dietzfelbinger und Liedtke ein Wendepunkt im Umgang mit den Hinterlassenschaften des NS-Regimes (vgl. ebd.: 113). 1988 wurden vier Informationstürme auf markanten Punkten des Reichsparteitagsgeländes gestellt, die über die Bauten informieren sollten. 2001 wurde schließlich das „Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände“ von Bundespräsident Johannes Rau eröffnet.

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Das Dokumentationszentrum bei Nacht

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Seltsame Idylle: Der Dutzendteich bei Sonnenuntergang.

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LITERATURVERZEICHNIS

 
  • Dietzfelbinger, Eckart; Liedtke, Gerhard (2004): Nürnberg – Ort der Massen. Das Reichsparteitagsgelände Vorgeschichte und schwieriges Erbe. Augsburg: Weltbild
  • NSDAP (1935): Der Parteitag der Freiheit. Offizieller Bericht über den Verlauf des Reichsparteitages mit sämtlichen Kongreßreden. München, Franz Eher Nachf. Verlag (Zentralverlag der NSDAP).
  • Schmidt, Alexander; Windsheimer, Bernd; Wachter, Clemens; Heyden, Thomas (Hg.) (2002): Geländebegehung. Das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg. 3. vollständig überarbeitete Neuaufl. Nürnberg: Sandberg.