Brutalität in Stein
Weitere Gebäude auf dem Gelände
Luitpoldhain
Der Luitpoldhain war im 19. und Anfang 20. Jahrhundert ein Volkspark. Zu Ehren des damaligen Prinzregenten Luitpold von Bayern bekam er seinen Namen. 1906 wurde dort eine Bayerische Landesausstellung eröffnet. Dazu wurde die Luitpoldhalle gebaut (vgl. Dietzfelbinger/Liedtke 2004: 46).
Schon weit vor der NS-Zeit wurden auf dem Luitpoldhain politische Veranstaltungen durchgeführt. Der große Park und die ansässige Luitpoldhalle waren wie geschaffen für öffentlichkeitswirksame Auftritte. Neben der NSDAP hat hier unter anderem auch die SPD Veranstaltungen durchgeführt (vgl. ebd.: 21). Die Nazis veranstalteten hier 1927 und 1929 ihre Parteitage, wo es zu großen Ausschreitungen zwischen Nazis und politisch linken Bürgern kam. Zwei Menschen starben dabei (vgl. ebd.: 27). 1929 wurde eine Ehrenhalle für die 10.000 aus Nürnberg stammenden Gestorbenen des 1. Weltkriegs errichtet. Der Oberbürgermeister Herrmann Luppe, Mitglied der liberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP), wollte mit dem Bau „auch die nationalen Kreise für die Weimarer Republik […] erwärmen.“ (ebd.: 22)
Nach der Machtergreifung Hitlers 1933 musste die Erholungslandschaft einer riesigen Aufmarschfläche weichen, der Luitpoldarena. Sie war Ort der Aufmärsche von SA und SS. In der Arena konnten etwa 150.000 Männer aufmarschieren (vgl. Schmidt u.a. 2002: 21). An den Seiten war Platz für 50.000 Zuschauer. Zentrum der Anlage war eine Ehrentribüne, auf der mittig eine Rednerkanzel für Adolf Hitler stand. Über der Ehrentribüne waren 3 riesige Hakenkreuzflaggen gespannt. Mitten durch die Anlage führt eine 18 Meter breite und 240 Meter lange „Straße des Führers“ aus Granit. Während der Kulthandlung stolzierte Hitler von seiner Rednerkanzel einsam und nur durch gebührendem Abstand gefolgt von den Chefs der SA und SS den Weg zur Ehrenhalle, wo er einen Kranz niederlegte. Die Ehrenhalle passte sich ohne Probleme in die Architektur der Luitpoldarena ein.
Die Luitpoldarena hat den Krieg weitestgehend ohne großen Schaden überstanden. Einzig die Liutpoldhalle brannte bei einem Bombenangriff aus und wurde nicht mehr aufgebaut. 1959 wurde die Luitpoldarena abgetragen und wieder zu einem Volkspark umgebaut (vgl. ebd.: 22). Einzig die Ehrenhalle blieb stehen. Seit 1945 werden hier, unter veränderten Vorzeichen, zum Volkstrauertag den Toten der Weltkriege gedacht (vgl. ebd.: 22). 1958 wurde hinter der Ehrenhalle ein Denkmal für die getöteten Piloten im 1. Weltkrieg hingestellt. Dieses wurde schon 1924 gebaut und stand vorher auf der Dutzendteichsstraße. 1963 wurde im nördlichen Teil die „Meistersingerhalle“ gebaut.
DER LUITPOLDHAIN FRÜHER UND HEUTE
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Die große Straße
Zentrale Achse des Reichsparteitagsgeländes war eine 2 Kilometer lange und 60 Meter breite Aufmarschfläche, die „Große Straße“. Zum Süden endete sie am Märzfeld, der geplanten Fläche für Schaumanöver der Wehrmacht. Zum Norden zeigt sie auf die mittelalterliche Kaiserburg. Der Weg aus der deutschen Vergangenheit in eine kriegerische Zukunft wurde hier symbolisch vorweggenommen (vgl. ebd.: 62). Die Platten der Großen Straße wurden in einem speziellen Raster angeordnet: auf jeweils sechs hellere Platten folgt eine Dunklere. Diese Strukturierung sollte den Aufmarschierenden Orientierung bieten. Die einzelnen quadratischen Platten sind 120 Zentimeter lang. An den Seiten waren Stehtribünen für Zuschauer. Obwohl die Große Straße bis Kriegsbeginn weitgehend fertig gestellt wurde, kam sie nicht mehr zum Einsatz.
Die „Große Straße“ war nach dem Krieg eine provisorische Landebahn für Flugzeuge der amerikanischen Armee. Ansonsten ist die „Große Straße“ heute vor allem ein Parkplatz bei den Volksfesten oder anderen Veranstaltungen auf dem Gelände. An der „Großen Straße“ siedelte sich in den 70er Jahren das Messegelände Nürnberg an. In den 1990er Jahren wurde die Große Straße saniert. Das südliche Drittel der Großen Straße wurde dabei betoniert. Die dabei entnommenen Natursteine ersetzten zerstörte Platten in den nördlichen Bereichen der Großen Straßen. Die Sanierung kostete 15 Millionen DM (vgl. Dietzfelbinger/Liedtke 2004: 100).
DEUTSCHES STADION | SILBERSEE
Westlich der „Großen Straße“ sollte das „Deutsche Stadion“ entstehen, das größte Stadion der Welt. Platz für 400.000 Zuschauer (vgl. Dietzfeblinger /Liedtke 2004: 58), über 120 Meter hoch. Davor ein rechteckiger Vorhof. Dieses kleinere Gebäude sollte im Vergleich das „Deutsche Stadion“ noch größer erscheinen lassen. 1937 wurde während der Reichsparteitage der Grundstein gelegt. Um einen Eindruck davon zu bekommen, wie bei einem solch riesigen Stadion die optischen und akustischen Verhältnisse gewesen wären, wurden im Hirschbachtal auf einem Berg, Holztribünen errichtet (vgl. ebd.: 59). 1938 waren Speer, Hitler und weitere Parteifunktionäre im Hirschbachtal und haben probegesessen.
Im Krieg mussten Kriegsgefangene die Baugrube weiter ausheben, bis die Arbeiten schließlich komplett beendet wurden. In den ersten Jahren nach dem Krieg wurden die Trümmer der Stadt, aber auch Hausmüll und Munitionsreste in die Baugrube des Deutschen Stadions entsorgt. 1951 wurde in einem Zeitschriften-bericht erwähnt, dass die Oberfläche des Sees „mindestens einen halben Meter dick mit alten Büchsen, Holzstücken, Flaschen, Korkplatten, Ölen und Fetten“ bedeckt war (Illustrierte Quick 1951 zit. nach Schmidt u.a.: 70). 1958 wurde der Schutt begrünt und bepflanzt, wodurch der kleine Berg mit dem Namen „Silberbuck“ entstand. Durch aufgestiegenes Grundwasser entstand der „Silbersee“. Der entsorgte Müll vergiftete das Wasser mit Schwefelwasserstoff. Baden ist hier streng verboten (vgl. Schmidt u.a. 2002: 70). Dennoch starben bis in die 80er Jahre einige Menschen darin. Der See wird nur bei größeren Veranstaltungen, wie dem Norisring und Rock im Park abgesperrt, wenn an dem Ort Tausende Menschen zelten. Auch heute kann man den fauligen Geruch des Sees wahrnehmen. Der Silbersee hat in etwa die Ausmaße der nördlichen Seite des Deutschen Stadions.
Umspannwerk
Die Reichsparteitage waren spektakuläre Massenveranstaltungen. Mit dem Lichtdom hat Albert Speer eine imposante Installation geschaffen, die im In- und Ausland bewundert oder gefürchtet wurde. Um den Strom für die das Spektakel zu generieren, wurde unweit der Zeppelintribüne ein Umspannwerk gebaut. Eine monumentale Fassade aus Naturstein sollte das profane technische Innere kaschieren. 54 Meter lang, 14 Meter breit und hoch, an den kürzeren Seiten jeweils mit einem steinernen Adler des Bildhauser Kurt Schmid-Ehmen verziert (vgl. ebd.: 205). Seit einigen Jahren ist in dem Gebäude ein „Burger King“ Schnellrestaurant ansässig. Die Umrisse der Adlerskulpturen sind bis heute zu sehen.
Städtisches Stadion
Zwischen 1926 und 1928 wurde nach den Plänen des Architekten Otto Ernst Schweizer das Städtische Stadion gebaut (vgl. ebd.: 81). Die Nationalsozialisten haben das moderne Stadion umgebaut und u.a. eine Kanzel für die Hitler-Rede erstellt. Bei den Reichsparteitagen fanden hier die Aufmärsche der „Hitler-Jugend“ (HJ) und vom „Bund Deutscher Mädel“ (BDM) statt. Höhepunkt war die Rede Adolf Hitlers an die Jugend. In diesen Reden schwor er sie auf den Nationalsozialismus ein, forderte Gehorsam, Härte, Disziplin und Kampf. Des Weiteren fanden während der Reichsparteitage im Städtischen Stadion die NS-Kampfspiele statt, sowie eine deutsche Staffelmeisterschaft 1936 und Fußballspiele des 1. FC Nürnberg. Der Verein nutzt das Stadion seit 1963 für seine Heimspiele. Das Stadion wurde mehrfach umgebaut, zuletzt im Zuge der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland, bei der einige Spiele in Nürnberg stattfanden. Heute heißt das Stadion wieder Max-Morlock-Stadion.
SPORT UND NATIONALSOZIALISMUS:
Die Geschichte des ehemaligen jüdischen Trainers des „1. FC Nürnberg“, Jenö Konrad.
MÄRZFELD | LAGERFLÄCHEN
Mit einer Innenfläche von 610 mal 955 Metern gehört das Märzfeld mit zu den größten Bauvorhaben auf dem Gelände. Es sollte Platz für 250.000 Zuschauer haben, die dort militärische Schauübungen der Wehrmacht bestaunen sollten (vgl. Dietzfelbinger/Liedtke 20014: 56). Bis zur Fertigstellung wurde der „Tag der Wehrmacht“ auf dem Zeppelinfeld abgehalten. Um das Feld sollten 24 Märzfeldtürme dem Areal einen imponierenden Rahmen geben von denen bis Kriegsende 11 fertig gebaut wurden. Auf der Mitteltribüne sollte eine riesige Skulpturengruppe von Josef Thorak mit einer Siegesgöttin gestellt werden (vgl. ebd.: 57). Das Feld selbst sollte aus natürlichem Wildwuchs bestehen. Das Märzfeld war der geplante südliche Abschluss des „Monumentalbaustil“-Teils des Reichsparteitagsgeländes. Dahinter waren die Lagerflächen für die Teilnehmer der Reichsparteitage. Diese wurden im Krieg benutzt für Kriegsgefangene, die die Arbeit an den Reichsparteitagsbauten weiterführen sollten (vgl. ebd.: 86). Nach der Niederlage Deutschlands wurden die Flächen zu einem Lager für Flüchtlinge. Von 1954 bis 1960 war das „Valka-Lager“ (vgl. ebd.: 95), so der Name, eines der größten Sammellager für Flüchtlinge des Zweiten Weltkrieg. In den 1960er Jahren wurden die Türme des Märzfeldes gesprengt, was ein großes, internationales Medienecho hervorief (vgl. ebd.: 108). Es fiel jedoch zuerst nur einer der Türme. Der Rest musste nachträglich gesprengt werden. Auf dem nun frei gewordenen Gelände und dem Areal der ehemaligen Zeltlager hat die Stadt Nürnberg einen komplett neuen Stadtteil gebaut. Heute wohnen etwa 38.000 Menschen in „Nürnberg-Langwasser“ (vgl. Bürgerverein Langwasser e.V. o.J.:o.S.. Im Zuge einer Renaturierung des Langwasserbaches stieß man auf massive Fundamente der Tribünenanlage. Diese sind heute frei zugänglich und mit zwei Informationstafeln versehen.
Bahnhof Märzfeld
Für den Reichsparteitag 1938 wurde der neu angelegte Bahnhof Märzfeld erstmals in Betrieb genommen. Die Reichsparteitage waren eine logistische Herausforderung. Die Stadt platzte aus allen Nähten und auf den Straßen herrschte ein großes Chaos. Der Bahnhof Märzfeld sollte diese Problematik lösen. Nah an den Lageflächen für die Reichsparteitage angesiedelt, konnten so die Teilnehmer zu ihren Zeltlagern marschieren. Die Reichsparteitage, stellen nach Schmidt u.a. in Bezug auf einen Transport von Menschenmassen einen „Testfall“ (Schmidt u.a. 2002: 201) für den späteren Krieg und die Deportation in die Vernichtungslager dar. Sie zitieren dabei einen Abschlussbericht der Reichsbahndirektion Nürnberg, der davon scwärmt, dass „die deutsche Reichsbahn in allen Lagen einsatzbereit ist und schier Übermenschliches zu leisten vermag. Sie wird auch in Zukunft allen an sie herangetragenen Anforderungen in vollem Umfang gewachsen sein.“ (Reichsbahndirektion Nürnberg 1938 zit. nach Schmidt u.a. 2002: 201)
Im Krieg wurde der Bahnhof zum An- und Abtransport von Kriegsgefangenen benutzt. 1941 und 1942 wurden hier über 2.000 Juden in die Konzentrationslager „Jungfernhof“ bei Riga und nach Izbica in Polen deportiert. (Stadt Nürnberg o.J.:o.S.) 2.373 namentlich bekannte Jüdinnen und Juden aus Nürnberg fielen dem Holocaust zum Opfer. Nach dem Krieg wurde der Bahnhof 1957 in „Bahnhof Langwasser“ umbenannt (ebd.), bis der Personenverkehr 1988 eingestellt wurde.
Heute ist nur noch die Unterführung als Tunnel begehbar. Es ist ein dunkler, bedrohlich wirkender Ort. Jede Treppe, die auf die Bahnsteige hinaufführt, ist abgesperrt. Einzig zwei Hinweistafeln des Geländeinformationssystems erinnern an die Geschichte des Ortes. Es gibt Initiativen, die sich für eine weitere Aufarbeitung des Ortes einsetzen. Bis jetzt wurde davon jedoch nichts realisiert. Dabei hat der Bahnhof Märzfeld eine erinnerungspädagogische Bedeutung und zwar um zu zeigen, dass die Faszination der Menschen bei den Reichsparteitagen und der Schrecken von Auschwitz, Dachau und den anderen Konzentrationslagern direkt miteinander verbunden sind. Der Täterort wird zum Opferort.
LITERATURVERZEICHNIS
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Bürgerverein Nürnberg – Langwasser e.V. (o.J.): Wissenswertes über Langwasser. Onlinte verfügbar unter: http://www.bvlangwasser.de/html/uber-langwasser.html, zuletzt geprüft am 25.07.2017.
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Dietzfelbinger, Eckart; Liedtke, Gerhard (2004): Nürnberg – Ort der Massen. Das Reichsparteitagsgelände Vorgeschichte und schwieriges Erbe. Augsburg: Weltbild
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Schmidt, Alexander; Windsheimer, Bernd; Wachter, Clemens; Heyden, Thomas (Hg.) (2002): Geländebegehung. Das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg. 3. vollständig überarbeitete Neuaufl. Nürnberg: Sandberg.
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Stadt Nürnberg (o.J.): 20. Ehemaliger Bahnhof Märzfeld. Onlinte verfügbar unter: http://www.reichsparteitagsgelaende.de/stationen/bahnhof_maerzfeld.htm, zuletzt geprüft am 25.07.2017.